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027

HIPHOP-SPECIAL |

KULTUR

DEICHKIND

Deichkind ist das Chamäleon und Stehaufmännchen des deutschen Raps. Ge-

startet als Rap-Crew, die typischen hanseatischen Humor mit möglichst origi-

nalen New York-Beats mischt, sahen sie sich immer wieder dem Vorwurf aus-

gesetzt, nicht sonderlich innovativ zu sein. Als dann noch kommerzieller Erfolg

hinzu kam, zum Beispiel mit der Single „Bon Voyage“, wurden die Kritiken an

der Band noch lauter. Der HipHop-Boom ließ Anfang der Nuller-Jahre langsam

nach und Deichkind, um Innovation bemüht, hatte mit „Kein Limit“ einen Fol-

ge-Hit. Der allerdings innerhalb der Szene keine große Anerkennung bekam.

Zu gerade Beats, zu kommerziell waren die Meinungen. Dem Mainstream

gefiel es trotzdem. Und Deichkind hatte seine Blaupause für seinen späteren

Weg gefunden.

Die Spaltung zwischen den Rap-Fans und Deichkind nahm noch zu, als ab den

Jahren 2003 und 2004 der Straßen- und Gangsta-Rap der Marke Aggro Berlin

das Ruder der Szene und die Charts übernahm. Deichkind hatte keine Heimat

mehr in dieser Szene. Mit dem Mut der Verzweiflung erneuerte man sich ein

weiteres mal – und die Electro-Einflüsse übernahmen die musikalische Basis.

Tec-Rap war die neue Richtung.

2005 nahm man dann am Bundesvision Song Contest von Stefan Raab

Teil. Mit dem Titel „Electric Super Dance Band“ und einer in Teilen lä-

cherlich wirkenden Bühnenshow erreichte man den vorletzten Platz.

Deutschland hatte es nicht verstanden. Intern kamen wahnwitzige private

Verwicklungen dazu. Die Band stand vor den Trümmern ihrer Existenz.

Die Auflösung war nah. Doch nach interner Umstrukturierung und neuer

Konzentration auf die Stärken der Show gelang aber das Unglaubliche:

Der Aufstieg der Band zu einer der besten Live-Formationen Deutschlands.

In den letzten Jahren sind auch vermehrt Zeichen der Annäherungen zwi-

schen Deichkind und der Rap-Szene zu bemerken. Ist die Rap-Szene doch

merklich offener geworden und hat sich ein weites Stück auch in Richtung

des Stils von Deichkind entwickelt.

SAMY

DELUXE

Samy Deluxe ist eine Rap-Maschine. Das war er schon immer – und das wird er

wohl auch immer bleiben. Als er in den späten 90er Jahren auftauchte, wollte

man seinen Ohren kaum glauben. Wie elegant und eloquent, und dabei trotz-

dem ruff und rotzig konnte dieser Junge flowen? Ungeahnte Wort-Kombinationen

reihten sich aneinander und es floss alles wie bei den Vorbildern aus New York.

Samy war damals wahrscheinlich der beste Rapper Deutschlands, mit Sicherheit

aber einer der drei Besten des Landes. Später half er auch anderen Rappern mit

seinem Label Deluxe Records. Rapper wie Tua, Manuellsen oder Ali As wurden

erstmalig durch Samys Label einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht. Auch

wenn es damals nicht richtig knallte, sind diese drei Künstler heute auch deshalb

so groß, weil sie sich damals ausprobieren konnten.

Natürlich machte auch Samy die letzten Jahre einen Wandel durch. Nach 23

Jahren auf der Bühne auch nicht verwunderlich. So wurde er vom 20.000 Eu-

ro-Goldketten-Tragenden zum Gemeinnützigen-Verein-Gründenden. Und auch

Ausflüge aus dem Rap heraus, sei es als Herr Sorge oder als Produzent des letz-

ten Nena Albums, werden ohne Berührungsängste durchgeführt. Dazu hat er sich

vor den Toren Hamburgs mit der „Kunstwerkstatt“ ein Künstler-Refugium geschaf-

fen, das nicht nur ihm Inspiration bietet, sondern auch vielen jungen Künstlern, die

sich dort ausprobieren können.

© Foto Studio Schramm Berlin

© deluxe records