Background Image
Table of Contents Table of Contents
Previous Page  22 / 68 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 22 / 68 Next Page
Page Background

022

PISTE.DE

KULTUR

| HIPHOP-SPECIAL

SOOKEE

Sookee ist das absolute Gegenteil von SXTN. Weshalb es für sie in der vor

Alpha-Männchen strotzenden Rap-Szene nicht einfach war, sich mit feministi-

schen Texten und Positionen gegen Sexismus, Homophobie, Rassismus und An-

tisemitismus zu etablieren. Doch Sookee hat es geschafft mit ihrem „Zeckenrap“

– ein Begriff, den auch ihr Label Springstoff mit geprägt hat. Weshalb sie sich in

ihren Texten auch gegen die, ihrer Meinung nach, vorherrschende Heteronor-

mativität im deutschen Rap richtet. Sie wirft dabei nicht nur männlichen Rappern

vor, ein sexistisches Weltbild zu propagieren, sondern auch Rapperinnen wie

SXTN und Schwesta Ewa. Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, dass sie

sich gegen Homophobie, Rassismus, Gewalt- und Kapitalismus-Idealisierung

im deutschen Rap engagiert.

Sie selbst bezeichnet sich als „Queer“, weil sie kein bestimmtes Geschlecht lie-

be, sondern nur konkrete Personen. Deshalb empfindet sie auch eine Trennung

von „hetero“ und „homo“ als nervig. Weshalb sie sich eine Welt wünscht, in

der die Gleichstellung Realität ist. Denn dann könnte sie es sich leisten, keine

Feministin mehr sein zu müssen.

Es ist aber nicht nur Rap, auf den sich ihr Blick richtet. Denn für Sookee kann

Rap immer nur so homophob und sexistisch sein wie die Gesellschaft, in der

er stattfindet. Das ist auch der Grund, weshalb sie sehr oft für Diskussionsrun-

den und TV-Reportagen angefragt wird – und bisher dort mehr Aufmerksamkeit

erhält als in der Rap-Szene selbst. Nach 14 Jahren harter Arbeit ändert sich

das aber langsam. Es ist ihr im Frühjahr 2017 gelungen, mit ihrem Album, auf

dem man eine Mischung aus modernen und klassischen Rap Beat Elementen

vorfindet, mit dem Titel „Mortem & Makeup“ auf Platz 87 der deutschen Album

Charts einzusteigen.

SXTN

Die Band SXTN besteht aus den Rapperinnen Juju und Nura, die dafür bekannt

und berüchtigt sind, in ihren Texten extrem zu polarisieren. Zeilen wie „Ich

f**** deine Mutter ohne Schwanz“ oder „F*** dich, du Hurensohn, f***

dich, du Hurentochter, f*** dich du Spast“ werden skandiert – und dazu im

Video mit Kettensägen hantiert und Blunts geraucht. Das verwundert evtl. we-

niger, wenn man weiß, dass Nura bereits vorher in Bands war mit Namen

wie „The toten Crackhuren im Kofferraum“ oder dem „Berliner Kneipenchor“.

SXTN demonstrieren Selbstbewusstsein und lassen sich nicht reinreden. Vor

allem nicht von Männern. Die sind verschreckt und werfen den beiden vor,

dass sie sich selber „F***** im Club“ nennen – das passt nicht so richtig in

das Weltbild von Alpha-Männchen 2017, die eher die heilige Hausfrau su-

chen, die dann aber bitte trotzdem im Schlafzimmer an der Stange tanzt.

Aufgrund dieser Empörung werden SXTN gern von Medien eingeladen, über

Emanzipation, Rassismus und männliche und weibliche Rollen-Klischees zu

sprechen. Dabei wird klar, dass sie nicht die männliche Vorherrschaft angrei-

fen, weil sie was dagegen haben. Sondern sie stellen diese Vorherrschaft al-

lein dadurch in Frage, weil sie sich nicht für diese Vorherrschaft interessieren.

Fun Fact: Ihre EP „Asozialisierungsprogramm“ wurde über das Spike Manage-

ment veröffentlicht. Das wird betrieben von Guy und Claus, die Mitte der 90er

Jahre zuerst unter dem Namen „Die Allianz“ und später als „Band ohne Name“

Popmusik veröffentlichten. Ihr größter Hit hieß „Boys“ – und ist genau so, wie Ihr

Euch das gerade in Euren Köpfen vorstellt. Für mehr Spaß bitte Youtube nutzen.

Zurück zu den Klientinnen von Guy und Claus: SXTN gelingt mit diesem Cocktail

aus Trap Beats, weiblichem Hedonismus und ihrer Ignoranz im Sommer 2017

mit ihrem Album „Leben am Limit“ auf Anhieb der Einstieg auf Platz acht der

deutschen Album Charts. Wie es weitergeht? Am Anfang des Videos zum Song

„Von Party zu Party“  findet sich ein Zitat des amerikanischen Schriftstellers Hunter

S. Thompson, der da lautet: „It never got weird enough for me.“ Wie sagt Franz

Beckenbauer immer: Schau‘n mer mal.