PISTE.DE
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INTERVIEW
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Langeweile ist ein Wort, dass in Mirco Niemeiers Wortschatz nicht vor-
handen ist. Bereits nach Öffnen der Mauer kostete er die Möglichkeit,
weltoffene Musik zu hören, vollends aus und begab sich später selbst als
Akteur mit dieser Musik auf die Bu
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hnen der Welt. Mirco Niemeier veröf-
fentlichte schon auf Labels wie PlayWithUs, Parquet Recordings, Finn-
schallplatten und DAMM Records. Auf Style Rockets findet er aktuell mit
„Poise“ ein neues Zuhause und genießt es, sich hier voll und ganz musi-
kalisch ausleben zu du
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rfen. Es ist Zeit fu
̈
r ein neues Kapitel anspruchs-
voller elektronischer Musik aus der Hauptstadt des Techno. Zeit für uns
ihn dir einmal genauer vorzustellen.
Seit wann machst du Musik und wie bist du dazu gekommen?
Nach
dem Fall der Mauer ergab sich für mich nun endlich die Möglichkeit,
„legal“ weltoffene Musik zu hören und dies kostete ich in vollen Zügen
aus. Zur der Zeit inspirierten mich Synthesizer-Klänge, die von Jean Mi-
chel Jarre entwickelt wurden und nun essenziell für die elektronische Mu-
sik sind. Damals war ich noch viel zu jung, um die Clubszene zu besu-
chen, zumal sie 1989 eh noch in der Geburtsphase steckte. Ich glaube,
ich war da gerade mal 10 Jahre alt. Später,´97 bis 2000, standen
Tresor, E-Werk, Ostgut (heute Berghain), Casino, Nontox undMatrix auf
der Wochenendskarte. Irgendwie hatte ich Blut geleckt und kaufte mir
ganz schlechte Plattenspieler und meine ersten Platten. Ich hatte noch kei-
ne Slipmats dafür, aber Tausend Servietten, die haben es auch getan. Frü-
her war eben alles anders. Analog eben.
Hast du schon von Anfang an aufgelegt oder zuerst nur produziert?
Wie
schon erwähnt, ging es bei mir mit den Plattenspielern los. Damals hatte
ich kaumGeld, ummir analoge Sequenzer, Sampler, geschweige denn
einen Synthesizer zu kaufen. Es gab auch noch keine Computer mit gu-
ter Rechenleistung wie heute. 2003 sah das dann schon anders aus. Da
habe ich mir einen guten Rechner und das, ich glaube, erste Ableton Live
gekauft. Aber bis 2008 möchte ich noch nicht von Produktionen spre-
chen. Das war eher Rumprobieren und Krautsalat. „Learning by doing“
Wie siehst du die Szene in Deutschland mittlerweile im Vergleich zum
Ausland?
Naja, sind wir mal ehrlich, auch in der Szene spielt das Tem-
perament eine große Rolle. Um mal ein Vergleich zu bringen, in Frank-
reich wird gerufen „ale ale ale“, in Spanien wird lautstark geschrien.Wir
Deutschen hingegen rufen „jawoll, jawoll, jawoll“
.
UnsereMusik kommt
in jedem Land gut an denke ich. Da gibt es kaum einen Unterschied.
Spielst du lieber auf Festivals oder im Club?
Ich spiele natürlich sowohl
auf Festivals als auch in den Clubs sehr gern. Die Abwechslung ist mir
wichtig. Beim Festival hat man eben auf Grund der Größe viel mehr Pu-
blikum, was äußerst atemberaubend ist und imClub hingegen kann man
mit dem Publikum familiär feiern. Da wird abgeklatscht und angestoßen.
Ist doch Klasse!
Was war dein bisher aufregendster Gig?
Das war, als ich das erste Mal
bei einen Festival auf der Main Stage spielen konnte. Das Aufregendste
daran war, das vor mir Sven Väth und Marek Hemmann die Party ge-
sprengt haben. Da bist du vor Aufregung nicht mehr Herr deiner Sinne,
wenn es los geht.
Was ist das Komischste, was dir bei einem Gig bisher passiert ist?
(Lacht)…Ich habe da drei tolle Storys: 1. Ich spielte mit jemandem
Back2Back und er hatte den Kopfhörer auf. Er drehte sich zu seinem Plat-
tenkoffer um und wollte eine neue Platte ziehen. Ich ging vor ihm vorbei
und riss das Kopfhörerkabel samt Klinke ab. Das Problemwar, es war ei-
ne silberne Klinke mit Plastikgriff. Der Rest der Klinke blieb im Mixer ste-
cken und wir mussten im laufenden Betrieb den Mixer umbauen. 2. Ich
habe in einer großen Halle
gespielt, wo das Mixen di-
rekt unter dem Kopfhörer
vorteilhaft schien oder
auch nicht. Ich machte
grad einen Übergang, die
neue Platte lief und ich
tanzte schön mit. Nur die
Leute grad nicht. Sie
guckten nur. Ein Kollege
tippt mir auf die Schulter
und sagt: Mach mal den
Crossfader in die Mitte
man hört draußen nichts
.…Autsch! Das war
2003, kann mich noch
ganz genau erinnern.
3. Erst neulich in Brüs-
sel. Die Stimmung war
grandios. Ich machte
grad einen sehr spannenden Übergang. Die Partycrowd wartete nur
noch so auf den Einsatz. Ich wollte gerade den Bass rein drehen.
Dann…Pock…plötzlich Toten Stille. Alles ging aus. Mixer, CD-Player und
Plattenspieler. Ich stand da, wie Max in der Sonne. Ich dachte nur: „Der
war dann doch etwas zu doll“. Aber es stellte sich heraus, dass die Strom-
versorgung vom Techniker nicht richtig eingesteckt wurde.
Was inspiriert dich für deine Produktionen?
Ich mag naturellen Sound.
Atmos, Percussion und Drive sind für mich essenziell. Wer meine Musik
kennt, wird es sicher schon bemerkt haben. Ich finde, ein Track muss sich
wie eine Umgebung anfühlen, in die man sich begibt. Unter einem Kopf-
hörer ist es am besten wahrnehmbar. Meine Inspiration ist, dass in mei-
nen zukünftigen Produktionen noch besser auszuarbeiten.
Welche Künstler haben in den letzten Jahren deinen Sound geprägt?
Das
sind genau die Künstler, die ich in der nächsten Frage erläutern werde.
Gibt es Künstler mit denen du gerne mal etwas zusammen machen
möchtest?
Ja, da gibt es schon einige, die es sehr gut drauf haben. Wie
gesagt, die naturgetreue Umgebung und Atmosphäre in der Musik be-
eindruckt mich. Daher würde ich gern mal was mit Stimming machen. Ich
rede hier nicht von Klassik! Meine Empfehlung als Klangbeispiel dafür ist
„Stimming – November Morning (original mix)“. Derzeitige Lieblinge mit
denen oder für die ich gern was machen würde sind Patrick Chardron-
net, Henneberg, Monkey Safari, Sante, &Me , Bremer, David Jach und
Rampa den ich neulich im Fitnessstudio traf.
Was könnenwir demnächst von dir Neues erwarten?
Es kommt in nächs-
ter Zeit einiges neues auf Vinyl und digital. Ich habe gerade meine neue
„Poise EP“, mit zwei Tracks Poise und Float fertig gestellt. Die Platte wird
auf der anderen Seite mit zwei Tracks von Ben Anders abgerundet. Zu-
dem arbeite ich gerade an einen Remix für „Drauf & Dran feat. Umami“.
Beide finden bei Style Rockets ihr zu Hause. Am 20. September erschien
mein Mix für „Schulze & Schulze – Mind Control (Mirco Niemeier Re-
mix)“ auf dem Label von Oliver Schories „Turnbeutel“, mit coolen Remi-
xen von David Keno, Oliver Schories und Celine veröffentlicht worden.
ZumWinter kommt ein Release auf Puré Records und im Januar ist eine
neue EP auf Karera Records geplant. Das ist noch nicht alles. Alles Wei-
tere ist noch geheim.
Am 26. Oktober kannst du Mirco Niemeier live im Zenit Schwerin
erleben.
DER NEUE KLANG BERLINS!
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