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PISTE.DEAUF DER PISTE
| ELEKTRO & HOUSE
HENNING, DU BIST JA EIN VERDAMMT
UMTRIEBIGER MENSCH UND AN VIELEN
FRONTEN ZU FINDEN: ALS LIVE-MISCHER VON
Z.B. JAZZ-, METAL- BIS HIN ZU KLASSIK-KON-
ZERTEN. GIB UNS DOCH MAL EINEN EINBLICK
IN EINEN KLASSISCHEN ARBEITSTAG BEI DIR.
Den einen klassischen Arbeitstag gibt es natürlich
nicht, eher einen typischen Wochenablauf: Am
Wochenende stehen Gigs und Veranstaltungen an,
also auflegen, PAs schick machen, Mikrofone und
Mischpult jonglieren oder gucken, dass z.B. der
Liveact von xyz so funktioniert wie er soll. Die
Woche besteht primär aus Studiozeit und der
unendlichen E-Mail-Schlacht mit Kunden, Künstlern,
Labels, Veranstaltern, Technikleuten usw. Das eigent-
liche „Musik machen“ bzw. Produzieren ist natürlich
der schönste Teil. Gemäß dem Motto „Wir müssen
alle geil abliefern“ wird da straight die „Shopping-
liste“ bzw. der Produktionsplan durchgezogen. Das
Klischee vom superkreativen Künstler, der bei Ker-
zenlicht seine handgeschriebenen Schmachtharmo-
nien in die Tasten massiert, macht sich gut bei Ins-
tagram – die Realität ist da zum Glück doch deutlich
vielschichtiger. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen:
Gejammt wird nach Feierabend (lacht).
UND WAS WAR DIE LUSTIGSTE PRODUKTION,
DIE DU JE GEMACHT HAST?
Da könnte ich jetzt einiges rausholen. Zum Beispiel
betrunkene Finnen, die auf dem Weg zur Lokation in
der Bahn verloren gehen. Oder dem aus Funk und
Fernsehen bekannten Comedian, der in der Aufre-
gung leider doch nicht mehr dran gedacht hat, sein
Funkmikro auf der Bühne laut – oder an anderer
Stelle – wieder auf leise zu stellen. Man erlebt schon
viele lustige Situationen über die Jahre – mit der Ver-
plantheit ganzer Berufszweige wird fest kalkuliert.
Ich bin immer mental darauf vorbereitet, dass der
Drummer von der Vorband dann halt doch erst fünf
Minuten vor der Show das Kit auf die Bühne stellt,
weil sein Vintage-Renault die Steigung zum Parkhaus
nicht geschafft hat. Oder dass das Release zum
frisch gedrehten Musikvideo sich verzögert, weil der
Label-Chef wegen Missverständnissen mit den
Behörden gerade in China in U-Haft sitzt. Es gibt
nichts, was es nichts gibt. Besser man hat einen Plan
B oder C ...
STICHWORT RSNRFLXN. DU BIST TEIL DIESER
NEUEN, SELBSTERNANNTEN „KUSCHELE-
CKE“. RESONANZ UND REFLEXION – DAS
KANN MAN SELBST AUS DEM BEGRIFF ABLEI-
TEN. DOCH ES GIBT SICHER NOCH MEHR ZU
ERZÄHLEN ÜBER DIESES NEUE PROJEKT, ODER?
Tatsächlich gibt es da eine Menge zu erzählen!
Unsere Urveranstaltung „Minimal Sommernachts-
traum“ im Wendland war dieses Jahr wieder ein
großartiger Erfolg. Ein Teil von uns war beim „Lieber
Tanz ich als G20“ dabei. Zuletzt waren wir mit dem
Verein für Mobile Machenschaften auf der
Schaluppe unterwegs. Asap wird es im frisch geret-
teten Bunker in Kiel ein Label-Showcase geben usw.
Für Ende des Jahres planen wir eine Veranstaltung,
die im Sinne der politischen Solidarität auch ein
gesellschaftliches Statement sein soll – und uns
besonders am Herzen liegt. Dabei sind Kooperatio-
nen mit so großartigen Projekten und Künstlern wie
dem Gängeviertel, Bassbotanik und anderen
Gleichgesinnten quasi unvermeidbar. Auch eine
neue Veröffentlichung ist Teil des Konzeptes, viele
großartige Musiker aus dem Umfeld wie z.B.
Shkoon, Padouc, Neal White oder Thomas Atz-
mann stehen auf meiner Liste. Und ich freue mich auf
die gemeinsame kreative Arbeit.
DU HAST UM EINE ART FREIFELD GEBETEN.
HIER BEKOMMST DU ES! FÜHLE DICH FREI FÜR
ÄUSSERUNGEN ALLER ART:
Ohne zu weit ausholen zu wollen: Ich bin ein Fan
von Kultur, finde die muss auch mal unbequem sein
und dahin zeigen, wo es weh tut. Ich bin für Fort-
schritt und tolle Sachen. Nun lebt der Musikbetrieb
als „Unterhaltungsindustrie“ ja erst mal davon, den
Menschen eine gute Zeit zu bereiten. Techno ist
Mainstream, hat als gesellschaftliches Phänomen
eine riesige Reichweite – und alle wollen dabei
sein, wer kann es ihnen verdenken? Als Produkt des
unvermeidbaren „me too“-Effektes sehen wir eine
unglaubliche Redundanz, sowohl musikalisch als
auch z.B. bei der Festival-Landschaft, bei der alles
irgendwie gleich ist. Die gleichen bekackten Holz-
buden, Yogakurse, Headliner und der vegane Piz-
zastand, dessen Käseersatz am Sonntag noch weni-
ger genießbar ist. Auf dem Main-Floor spielen die
Propheten der Mittelmäßigkeit den xten Abklatsch
des Superhits von Vorgestern. Mit Vocals, die
klingen wie von dieser englischen Indieband, die
deine kleine Schwester so gern hört. Das muss doch
nicht sein. Musik kann gut und erfolgreich sein! Nie-
mand zwingt Euch, jedes Klischee zu bedienen, die
selben „Partyclassics“ zu spielen usw. Bitte mehr Mut
zur Originalität von den Künstlern – und mehr
Engagement bei den Zuhörern. Wer etwas zu
erzählen hat, dem wird auch jemand zuhören. Ich
kann bzw. will bis heute nicht verstehen, wie Leute
random irgendwelche Sets laufen lassen. Oder auf
Partys gehen ohne zu wissen, wer da eigentlich
gerade auflegt. Ich geh doch auch nicht in ein Res-
taurant und sage zum Kellner: „Guten Tag, ich
würde gern etwas essen.“ Da kann doch nichts
Gutes bei rauskommen …
DAS PASST GANZ GUT ZU MEINER AKTUELLEN
KOLUMNE, STELLTE ICH GERADE FEST, UND
BIN BERUHIGT, DASS NICHT NUR ICH DAS SO
SEHE ... WANN SEHEN WIR DICH DENN MAL
WIEDER IN MUSIKALISCHER MISSION VOR
DER KULISSE?
Ich werde mir demnächst Zeit nehmen, all die Pro-
jekte und Kollaborationen der letzten Monate fertig
zu machen. Da liegen Sachen, die ich z.B. mit
Mitja und Daniel Mes, Pari-San oder aber auch
Midas104 angefangen habe, und die zu schade
sind, um auf der Festplatte zu versauern. Dazu wird
es einige versteckte Gigs in Hamburg oder besag-
tes Showcase in Kiel geben, und evtl. noch ein biss-
chen Berlin. Dates gibt es bei FB usw.
THEMA RELEASES: SICHER HAST DU SCHON
ETWAS IN DER PIPELINE ODER? KANNST DU
SCHON ETWAS ERZÄHLEN?
Wie eben schon angedeutet: Es hat sich einiges
angesammelt. Mit dem Projekt Metatext hab ich bis-
her eine sehr zurückhaltende Release-Politik gefah-
ren, denn gut Ding will bekanntlich Weile haben.
Der letzte Remix für Thomas Atzmann auf seiner EP
bei Underyourskin war z.B. auch schon weit über
ein Jahr fertig, bevor es zum Release kam. Andere
Sachen, gerade bei größeren Labels, brauchen mit-
unter sogar noch länger, bis sie so umgesetzt wer-
den können, wie ich mir das vorstelle. Mit entspre-
chendem Vorlauf wird im Hintergrund gerade also
eine Menge vorbereitet, einiges wird jetzt zeitnah
auch endlich kommen. Details dazu verrate ich aber
noch nicht. Was ich aber sagen kann: Diesen
Monat erscheint erst mal ein kleines Highlight Magi-
cian on Duty. Für den türkischstämmigen Künstler
Yigitt Atilla hab ich einen kleinen Remix maßge-
schneidert, das Feedback aus der Promo ist bisher
gut bis überwältigend. Für den Herbst ist ein Dop-
pel-Remix bei meinen guten Freunden von LikeBirdz
geplant, die Nummer zwei kommt da wiederum
von Thomas. Es bleibt spannend.
6 FRAGEN AN ...
METATEXT
Hinter dem Act „Metatext“ steckt deutlich mehr
als nur „ein Act“: Ein Gesicht, eine Person, viele
Facetten.




