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008

PISTE.DE

CITY NEWS

| PISTE PERSÖNLICH

ANDREA

ROTHAUG

BUCHAUTORIN, VERANSTALTERIN,

DOZENTIN UND AKTIVISTIN DER

HAMBURGER MUSIKSZENE

BEI ALL DEN UNTERSCHIEDLICHEN PROJEKTEN DIE IHR MACHT, GIBT

ES DA EINS, DAS DIR BESONDERS AM HERZEN LIEGT?

„Operation Ton“, das ist ein Kongress und Festival für Musiker, Musikfans und

Musikschaffende aus dem ganzen Bundesgebiet. Das ist unser Flagschiff, das

wir sehr lieb haben. Damit wollen wir vor allem Authentizität fördern. Also

auch den schrägen Ton, die Nische. Abends ist Festival, tagsüber sehe ich auf

der Bühne das skurrilste, was der Bund gerade zu bieten hat.

KANNST DU MAL EIN BEISPIEL NENNEN?

Wir haben schon mal das ganze Publikum mit Gehirnstrommessern verkabelt.

Die Ströme wurden dann in Musik umgewandelt und ein Kammerorchester

improvisierte darauf. Im November findet der Kongress wieder im Resonanz-

raum im Medienbunker statt.

WIE KOMMT MAN ALS MUSIKER AUF EUCH ZU?

Man sagt sich, es läuft nicht so wie ich mir das vorgestellt habe und dann

kommt man hierher.

KOSTET DIE BERATUNG DENN ETWAS?

Wir nehmen einen Jahresbeitrag von 40 Euro€. Dann ist die Beratung und die

Vertragsprüfung umsonst, es gibt Busse für 40 Euro am Tag und und und. Inso-

fern haben wir keine Probleme Mitglieder zu generieren. Was wir eher brau-

chen, sind Förderer die uns helfen unsere Projekte durchzuführen. Mein Hobby

ist inzwischen die Drittmittelakquise. Die Kulturbehörde zum Beispiel unterstützt

uns schon von Anfang an maßgeblich.

WO SETZT IHR, WAS EURE MITGLIEDER ANGEHT DIE GRENZE?

Wir nehmen keine Amateure. Nur Profis und darunter verstehen wir Men-

schen, die ausschließlich von der Musik leben möchten. Ansonsten gibt es

keine Grenzen. Wir bewegen uns in der gesamten popularen Musik. Ich

verstehe meinen Job so, dass ich Musik in Hamburg möglich machen möchte.

Insofern bin ich nicht dafür da, Musik zu verhindern, das macht der Markt

dann schon selber.

WAS IST DENN EIGENTLICH DEIN BACKGROUND?

Ich komme aus der Musikwirtschaft und aus der Musikkultur. Außerdem bin

ich ein Kind des Punkrocks und der Hafenstraße. Ich bin aber schnell in den

organisatorischen Bereich gegangen. Vom deutschen Punkrock bin ich dann

quasi zur Hamburger Schule gewechselt und habe das Tourmanagement für

„Die Braut haut aufs Auge“ und „Die Sterne“ gemacht.

WAS HÖRST DU DEN SELBER FÜR MUSIK?

Ich habe in letzter Zeit recht viel Derya Yildirim und die neue Platte „Die

Regierung“ von Tilmann Rossmy gehört. Ich höre viel Hamburger Kram

aber auch viel Anohni.

WIE WÜRDEST DU DIE HAMBURGER MUSIKSZENE BESCHRIEBEN?

Diese eine Hamburger Musikszene gibt es für mich gar nicht. Es sind

vielmehr Musikszenen. Ich finde die Bewegung von New Hamburg, also

die Berührung von Elektronik, Klassik und orientalischer Musik sehr span-

nend. Auch das, was im Resonanzraum passiert, ist super. Auf der ande-

ren Seite hat man eine recht konservative junge Szene, der man anmerkt,

dass sie versuchen alles richtig zu machen. Sie orientieren sich an

Sachen, die sie bereits kennen. Die müssen meiner Meinung nach etwas

sehen, dass sie lexikalisch nicht nachschlagen können. Wer sich von den

gängigen Suchmaschinen des Internets oder Smartphones einlullen lässt,

trifft eben auch selten auf Überraschungen.

DAS HEISST IN DER KONSEQUENZ ES GIBT IMMER MEHR

EINHEITSBREI?

Schon, in allen Jurys in denen ich in letzter Zeit saß, haben wir gesagt,

wir brauchen mal wieder mehr Seele und vor allem Mut. Das ist etwas,

dass ich manchmal vermisse.

WAS IST ALSO DEINE GRÖSSTE AUFGABE IN DER NÄCHSTEN

ZEIT?

Uns geht es darum Künstler zu schützen, Vielfalt möglich zu machen,

Musik möglich zu machen. So wie bei Operation Ton: Kopf aufmachen,

Leute erschrecken und mitnehmen. Konzerte auf Hutgeld zum Beispiel

sind zwar eine gängige Praxis, ich finde das aber überhaupt nicht in

Ordnung. Das ist betteln. Und um das zu verhindern, muss man auch mal

unbequem sein. Ich sage gerne, wenn man mal einen Sandkorn im Auge

hat, denkt, das ist das Schlimmste von der Welt, ist es aber eben nur ein

Sandkorn im Auge. Und dieser Sandkorn sind manchmal ganz gerne wir.

Als Rock City Hamburg Geschäftsführerin und Aktivistin setzt sich Andrea

Rothaug seit vielen Jahren unermüdlich für die Hamburger Musikszene ein

und entwickelt unzählige Projekte. Zum Kosmos des Rock City e.V. gehören

etwa 2500 Musiker aus allen Sparten der Popularmusik, der Verein feiert

in diesem Jahr seinen 30sten Geburtstag. Im Mai wird der Hamburger

Musikerpreis Krach und Getöse verliehen.

© Katja Ruge