Piste November SN 2019

018 PISTE.DE KULTUR | INTERVIEW FW: Samy, im kürzlich erschienen Buch „Könnt Ihr uns hören? Eine Oral History des deutschen Rap“ wirst Du bezüglich Deiner Anfangs- jahre als Rapper zitiert mit dem Satz: „Wir wollten auf gar keinen Fall im Radio laufen.“ Das ist mitt- lerweile passé, oder? Samy Deluxe: Nein. Ich kann das Statement nicht revidieren. Radio war wirklich nie Teil der Agenda. Und ich bin auch nie wirklich im Radio gelaufen. Aus gutem Grund: Ich kann deutsches Radio nämlich nicht wirklich ernst nehmen. Es ist kein die Kultur prägendes Medium mehr. Sie spielen nur den Mist, von dem sie denken, dass ihn die Leute draußen im Hamsterrad brauchen. Früher war es – wie heutzutage auch noch in anderen Ländern – ein Sprachrohr. Es gab Radioper- sönlichkeiten. Heutzutage aber hast du dort eine Million Typen, die alle gleich klingen. Ich bin wirklich kein Verschwörungstheorie-Typ. Aber man kann schon auf den Gedan- ken kommen, dass sich irgend- wann mal jemand dachte, wir müssen die Mehrheit stillstellen mit so einem Radioprogramm, damit ein paar Leute ganz oben reich werden können. Natürlich: Es gibt beim Radio auch Ausnahmen. Aber insgesamt ist die Radiolandschaft eine traurige. FW: Dennoch: Du findest im Radio durchaus statt. Du bist ja kein Un- bekannter. Samy Deluxe: Ja, aber wenn, dann finde ich dort statt, weil ich eine Per- sönlichkeit bin und die Leute beim Radio irgendwann merken, dass sie solche Persönlichkeiten brauchen, um bestimmte Themen – Mobbing, Rassismus – zu diskutieren. Sonst würden da nur irgendwelche Typen reden, die nicht wegen ihres Intel- lekts sondern einzig wegen ihrer Flippigkeit gecastet wurden. FW: Man merkt: Du reflektierst Dich selber sehr intensiv. Und das merkt man auch in Deinen Songtexten, die sich nicht selten um das „Ich“ von Samy Deluxe drehen. Ist das nun ein über die Jahre angesam- meltes, gesundes Selbstbewusstsein – oder reiner Egozentrismus? Samy Deluxe: Es spielt alles hinein. Vor allem geht es mir darum, den Leuten bestimmte Gefühle zu ver- mitteln. Wie fühle ich mich in be- stimmten Situationen? Wie gehe ich damit um? Das sind meine Aufhän- ger. Aber was den Egozentrismus angeht: Ich habe weniger Gel- tungsdrang, als Viele vermuten. Ich bin nicht der Typ, der in einer Runde von Leuten sofort und bei jeder Ge- legenheit sagt: „Ja, also, bei mir war das so und so.“ Ich höre den Menschen viel lieber zu und bin INTERVIEW MIT SAMMY DELUXE Foto: Janick Zebrowski

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