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Review: Redcar - Redcar les adorables étoiles...

Review: Redcar - Redcar les adorables étoiles...


Eintrag vom 12.10.2022 - Stand: 12.10.2022 11:57

Mit neuem Alias und neuem Album geht Christine And The Queens etwas verspätet an den Start. Das neue Studioalbum sollte längst durch die Lautsprecher dieser Welt dröhnen, doch Chris verletzte sich bei Konzertproben und hätte somit an keinen Promoterminen teilnehmen können. Wesentlich länger als der Album Release dauerte es, bis sich Chris alias Redcar zu seiner Geschlechtsidentität äußerte. Im August teilte der französische Musiker in einem Tik Tok mit, seit bereits zirka einem Jahr als Mann zu leben. Dass Chris selbst und seine Musik schon immer für Queerness stand und Grenzen durchbrechen wollte, wurde schon auf dem Debütalbum "Chaleur humaine" und spätestens seit "Chris" allen Fans und Kritikern bewusst. Dabei wird er nicht müde, immer wieder Traditionen zu hinterfragen und seine Kunst zu nutzen, um gegen alte Strukturen zu rebellieren, anzuecken und zu kokettieren.

 

Betrachtet man Studioalbum Nummer 3, wird schon auf dem Cover deutlich: Auch dieses Mal wird es nicht langweilig – die Kritikspiele sind eröffnet! Chris zeigt sich mit zurückgegelten Haaren, wie ein Gentleman gekleidet. Ballroom-Atmosphäre und die Assoziation mit Beyoncés "Renaissance" entsteht. Eine gewisse Theatralik soll wohl auch übermittelt werden, denn "Redcar les adorables étoiles (prologue)" ist im Geiste einer Rockoper entstanden. Kein Ballroom, dafür aber ganz viel Bühnenpathos. Er singt von Liebe, von Heiligtümern und Ekstase, den Sternen und der (Nicht-)Bedeutung von Zeit. Eine hypnotische, floreszierende Reise durch den Theaterfundus beginnt.



Dabei begegnen wir entspannten Funk- und RnB-Songs aber auch aufregendem Dance-Synth-Pop, der vollgepackt ist mit Filtern und Effekten. Dunkle Elektroklänge schmiegen sich an zarte Poesie, die Chris psalmartig vorträgt. Der dunkel-opereske Track "Tu sais ce qu'il me faut" lässt Parallelen zu alten Rosenstolz-Liedern zu. Mittendrin schickt uns "Looking For Love" in die 80er und zollt Tribut an Größen wie Sophie B. Hawkins und Kate Bush. In "Combien de temps" erschaffen Schlagzeug und elektrische Gitarren auf über acht Minuten einen klassisch-schwülen Rocksound. Fast schon unbarmherzig wird man von der kurzweiligen Tanznummer und Singleauskopplung "Je te vois enfin" aus dem Fiebertraum gerissen. Immer wieder neue Eindrücke prasseln auf uns ein und schneller als erhofft, verbeugt sich der Künstler - Vorhang, rasender Applaus!

 

Wer sich eine klare Linie von diesem Longplayer erhofft, wird enttäuscht, hat sich aber wahrscheinlich auch nicht mit dem Schaffen des Musikers auseinandergesetzt. Denn genau von dieser musikalischen Vielfalt lebt Redcar und auch das neue Studioalbum. Einen roten Faden auszurollen, wäre unnötig und in jeder Wintersocke besser aufgehoben. Da uns die Vorgänger-EP "La vita nuova" insgesamt dennoch mehr abgeholt hat, bekommt "Redcar les adorables étoiles (prologue)"...

 

4 von 5 piste-Männchen

für Redcar - Redcar les adorables étoiles (prologue)

erscheint am 11. November digital, auf CD & Vinyl

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