Piste HRO 07/2021

028 PISTE.DE BERUF & ZUKUNFT Doch die Geschichte ging dann erst richtig los: Als der Schüler La- jos, heute 17 Jahre alt, vor einiger Zeit nicht mehr zu Schule ging, begann für uns Menschen aus dem Hilfe- und Schulsystem eine gemeinsame Lern- zeit: Worum geht es im Leben eines jun- gen Menschen? Welche Bildung braucht es dazu? Wie können wir das ermöglichen, mit den Menschen und Orten, die bereits da sind? Der Beginn der Lösung war schon - und das war überhaupt nicht leicht - zu erkennen, dass es um ein gemeinsames Lernen geht. Die richtigen Fragen zu recherchieren und die Antworten nicht schon zu kennen. Raum für Entwicklung geben und lassen, das war vielleicht das schwerste für uns als Erwachsene. Weil es bedeutet, dass das, was wir gut können, wir LehrerInnen, Sozial- pädagogInnen, IntegrationshelferInnen und FallmangerInnen, erst dann angewendet wird, wenn es genommen werden kann. Das ist enorm schwer. Von außen betrachtet lässt es sich sogar leicht verwechseln mit Nichtstun. Das Vorgehen muss gut bespro- chen und erklärt sein, immer wieder. Es braucht Menschen und Bildungsorte, mit und an denen das gemeinsam gewagt werden kann. Diese Geschichte ist viel größer als dieser Artikel. An dieser Stelle kann die gute Zusammenarbeit schonmal angedeutet werden, zwischen der GeBEG (Gesellschaft für Bil- dung, Erziehung und Gesundheit) und der HPS (Hanseprodukti- onsschule), die Lajos das Ankommen er- möglicht hat. Finan- ziert wird diese Hilfe durch das Amt für Jugend und Soziales und Asyl, und bei der HPS kommen auch Mittel aus der Europäischen Union dazu. Eine gute Investition, denn Lajos geht wieder zu Schule, an die Hansepro- duktionsschule. Das wurde möglich, weil wir Erwachsenen mitge- lernt haben, was es davor noch brauchen könnte. So wurde Lajos, lange bevor er wieder in einem Klassenraum saß, zum Lebens- praktikanten in der GeBEG. Ein Prakti- kaplatz, wie ihn je- der Schüler suchen und finden darf. Ein Platz, nicht nur zur Berufsorientierung, sondern vielleicht schon immer auch zur Orientierung im Leben. Die Integrationshilfe konnte so zuerst für Lajos selbst wirken: Integration in seinem eigenen Leben, sei- nen Platz finden und einnehmen. Mit zwei Hörgeräten seit der Ge- burt, hat Lajos eine wunderbare Form des Hörens entwickelt. Sei- ne Augen, sein Verstand, und alle seine Sinne hören mit. Mitten in einer Pandemie, in der alle Menschen eine Maske vor ihrem Mund tragen, eine ganz besondere Herausforderung. Dazu passt, dass er in seinem Lebenspraktikum Teil des GeBEG MedienTeams wur- de, das Erfahrungen und Wissen mit Hilfe von Medien in Bild und Ton entdeckt und sichert. Zum Beispiel erforschte Lajos seine und unsere Lebenswelt (die gleiche!) mit einer Kameradrohne. So flog er zuerst über die Hanseproduktionsschule, lange bevor er sie je betrat. Er machte sich wortwörtlich ein Bild der Lage von dort, wo er vielleicht einmal einen Schulabschluss machen würde. Wie ne- benbei, gut erarbeitet und ermöglicht von uns Menschen der Ge- BEG und HPS, entstand ein Werbefilm für die Schule. Anfang des Jahres besuchte uns bei dieser Arbeit das NDR Nordmagazin. Der Beitrag ist noch zu finden online, in der ARD Mediathek, unter dem aufregenden Titel „Bangen um den Integrationshelfer“. Dar- in wird auch sicht- bar, in welche Schwierigkeiten man mit guter Arbeit kommen kann. Schön, dass wir drangeblieben sind, die Familie, die Schule, wir Helfer. Die Geschichte geht weiter: Lajos hat seine Berufsreife erlangt. Er möchte nun seinen Realschulabschluss machen und wird dafür auf eine andere Schule wechseln. Die stolzen Blicke auf Lajos, die der Eltern und Großeltern, der HelferInnen, der Schulleitung, der WerkstattpädagogInnen, der SchulsozialarbeiterInnen, und der LehrerInnen, sprechen Bände: das ist eine gute Geschichte, und sie wird immer schöner. DieGeschichte könnte hier zu Ende sein: Ein Schüler geht nicht mehr zur Schule. Schulmeidung, sagenwir KollegInnen aus Schule und Ju- gendhilfe dann oft. Wir haben in unserer Arbeitssprache viele solcheWorte kreiert. Für beinahe jede nur allzu menschliche Herausforde- rung eine eigeneWortschöpfung. Wenn ein junger Mensch aus unserem (Bildungs)Systemaussteigt, kann es uns die Sprache verschlagen. ANKOMMEN IM LEBEN VON CHRISTIAN HÖNTZSCH, INTEGRATIONS - UND MEDIENMENSCH GEBEG www.jh-stadtundlandev.de -Anzeige- -Anzeige- Das Nordmagazin zu Besuch amGebeg Schnittplatz ImVorbereitungsraum zur mündlichen Biologie Prüfung Nach der erfolgreich bestandenen Prüfung Warten auf das Ergebnis der mündlichen Prüfung

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